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Chronik

Auch in Kampen?

In Kampen nun konnte die Verkoppelung aus anderen Gründen nicht so recht zum Ziel führen. Hier war der meiste Boden Unland. „So gering sind die Wiesen, aber noch geringer ist die allgemeine Weyde, welche die kahle, schwarzte Heide, die auch vom Sande sehr überstoben wird. Ihr Ackerland ist von Natur schlecht und gering, und weilen der Mitteln mangeln, selbiges etwa zu verbeßern, kann es dem Bearbeitenden seine Arbeit und Unkosten … nicht bezahlen.“ So heißt es in einem Bericht des Sylter Landvogten über die drei Norddörfer Anfang des 18. Jahrhunderts. Die unbebaubare Fläche – hier vor allem Dünen und Heide – gehörte von alters her dem Landesherrn, in diesem Falle also dem Herzog von Schleswig. Im Zuge der Agrarreform sollte neben den gemeinschaftlich genutzten Wiesen- und Weideflächen auch dies an die Haubeseitzer verteilt werden.

Erfolgte in den Sylter Dörfern Archsum, Keitum, Morsum und Tinnum die Verteilung aufgrund der Größe und des Ertrages der hier etwas reichlicher vorhandenen Ackerländereien, wählte man in den Norddörfern Braderup, Wenningstedt und eben Kampen, die seit 1709 eine gemeinsame Verwaltungseinheit bildeten, als Maßstab der dann in den Jahren 1771 und 1785 tatsächlich vorgenommenen Aufteilung den jeweiligen Besitz an Pferden. Es ging um 20 so genannte Lose, die als 16 ganze Lose Besitzern von jeweils zwei Pferden und als weitere acht halbe Lose Hausbesitzern ohne Pferd zugemessen wurden. Ein Dreiviertel-Los hätte dem Besitz eines Pferdes entsprochen, aber solche Betriebe gab es in Kampen seinerzeit offenbar nicht.

Jens Bleicken (1846-1925), Kapitän. Strandvogt, Gemeindevorsteher und Vorsteher der Losinteressentenschaft Kampen am Ende des 19. Jahrhunderts hatte deren Entwicklung aufgezeichnet. Er berichtet unter anderem, dass auch nach der ersten Aufteilung noch erhebliche Flächen in den Norddörfern weiterhin gemeinsam genutzt würden. Die Grundbesitzer und späteren Losinteressenten bestimmten, so heißt es bei ihm weiter, dass die „jährliche Nutznießung“ an den unaufgeteilten Heide- und Weideländereien und eine eventuelle spätere Aufteilung nach den festgelegten Losgrößen erfolgen sollte. Einbezogen in die Bestimmungen war auch Unterhaltung und Nutzung der Dünenflächen westlich von Wenningstedt und Kampen. Darüber existiere allerdings keine schriftliche Überlieferung, gleichwohl sei gegen diese Bestimmung „niemals von irgendeiner Seite Einspruch erhoben worden“, so Jens Bleicken. Im Jahre 1786 waren, so berichtet Rolf Spreckelsen, die letzten Heideflächen in Kampen aufgemessen, in vier Güteklassen eingeteilt und sodann gemäß den ursprünglichen Losanteilen aufgeteilt.

Um dann aber zu verhindern, dass das neu erworbene Land einfach verkauft und damit der dörflichen Wirtschaft gleichsam entzogen werden konnte und wohl auch, um die hier festgelegten Besitzrechte zu stabilisieren, erließ der Landesherr – nach über 30 Jahren immer noch König Christian VII., dessen führende Minister allerdings inzwischen unter teils dramatischen Umständen zweimal ausgetauscht worden waren – am 27. Dezember 1797 die „Verfügung, daß die Auftheilung der gemeinen Weiden auf der Insel Sylt den Häusern beygelegte Landstücke nicht davon getrennet werden sollen.“ 10 Christian der Siebende von Gottes Gnaden König zu Dännemark, Herzog zu Schleswig, Holstein, Stormarn und der Dithmarschen wie auch zu Oldenburg etc etc. Wann wir in Hinsicht der von den Dorfschaften zur gemeinen Weide genutzten Heide auf der Insel Sylt der bisherigen Verfassung gemäß und des allgemeinen Besten wegen unmittelbar zu resolviren und für die Zukunft festzusetzen für gut gefunden haben, dass die bey Auftheilung besagter gemeinen Weiden den Häusern beygelegte Landstücke damit unzertrennlich vereiniget bleiben sollen, mithin selbige weder besonders veräussert, verpfändet oder vererbet werden können, sondern in allen Fällen als Pertinenzstücke der Häuser betrachtet werden müssen; so wird solches hiedurch bekannt gemacht, und hat ein jeder, den es angehet, sich hiernach für die Zukunft zu achten. Gegeben unter Unserm vorgedruckten Königl. Insiegel im Ober-Gericht auf Unserm Schlosse.

In der Folge kam es zu Streitigkeiten zwischen den Norddörfern und anderen Sylter Gemeinden, in denen sich die Bewohner schnell wieder zu gemeinschaftlicher Nutzung ihrer Heide und Weide zusammenschlossen. Die Norddörfer wollten verhindern, dass ihr kärgliches Land an andere Sylter verkauft wurde. Von Interesse war vor allem die Nutzung der Heide zur Gewinnung von Brennmaterial, das hier nun verhältnismäßig reichhaltig vorhanden war.
Vor diesem Hintergrund wurde die Situation am 22. Februar 1799 mit einer weiteren Verordnung weiter spezifiziert: In Kampen wurde das Land also weiterhin gemeinschaftlich genutzt. Die Nutzungsrechte aber waren untrennbar mit den Häusern verbunden bzw. mit den bebauten Grundstücken. Bei jeglichem Besitzwechsel – Verkauf oder Vererbung – gingen sie auf den neuen Besitzer des ursprünglichen Hausgrundstücks über. Das schlug sich in entsprechenden Formulierungen in gerichtlichen Kaufverträgen oder Erbteilungen nieder

In den Jahren 1810 bis 1813 kam es zu einem Streit zwischen Kampen einerseits und den beiden anderen Norddörfern Braderup und Wenningstedt andererseits, die ihr Vieh einfach auf den – wenigen – fruchtbaren Kampener Feldern weiden ließen, wozu sie sich aufgrund der gemeinschaftlichen Bewirtschaftung berechtigt glaubten. In einer ausführlichen Niederschrift erteilten die Kampener Einwohner am 9. Januar 1811 Ebe Bleicken und Clas Boysen eine umfassende Vollmacht zur Vertretung der Dorfschaftsinteressen in diesem Verfahren. Ergebnis der Auseinandersetzung war die wirtschaftliche Trennung der Norddörfer. Seit 1813 ist die Kampener Losinteressentenschaft selbstständig. Insgesamt waren zu diesem Zeitpunkt mindestens 490 Hektar an Dünen, Heide und Weideländereien im Besitz der Anteils-Eigner.

Somit hatte sich in Kampen – wie zunächst in den Norddörfern generell –ein Stück Mittelalter erhalten, das nur versuchsweise den modernen, am einzelnen privaten Besitz orientierten Vorstellungen unterworfen wurde, wie sie durch die Reformen im zum großen Rest des Herzogtums Schleswig und auch der Insel Sylt sich durchsetzten. Kampen aber war mit seinen 24 Häusern kein wirkliches Bauerndorf. Die Haushaltsvorstände verdienten ihr Geld als Seeleute, nach dem Ausklingen der Seefahrtsepoche Anfang des 19. Jahrhunderts dann zum Beispiel als Fischer. Für die Landwirtschaft gab der Boden nicht genug her. Die Konsequenz daraus war die Rückkehr zur echten Gemeinwirtschaft.