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Chronik

Die Entwicklung seit dem Zweiten Weltkrieg

Nach dem Zweiten Weltkrieg ergab sich die Notwendigkeit, der Interessentenschaft einen angepassten rechtlichen Rahmen zu geben.
Der Flensburger Rechtsanwalt Dr. Paul Steffen legte am 29. Januar 1949 folgende neue Satzung vor:

Statuten der Kampener Losinteressentenschaft

§ 1
Das Vermögen der Kampener Losinteressentenschaft besteht aus dem in der Gemarkung Norddörfer belegenen, im Grundbuch von Norddörfer Band 21 Blatt 675 verzeichneten Grundbesitzen. Es ist z. Zt. eingeteilt in Bruchteilsanteile von 1/80 und mehr Anteile.

§ 2
Der Zweck der Losinteressentenschaft ist die gemeinschaftliche Nutzung und Unterhaltung der im § 1 bezeichneten Ländereien sowie insbesondere ihre wirtschaftliche Verwertung durch die Veräusserung für Bauzwecke.

§ 3
Die Losinteressentenschaft schliesst sich hiermit wiederum zu einer Gesamthandsgemeinschaft zusammen, um die Verfügung des Einzelnen über seinen Anteil auszuschalten. Die Grösse der Eigentumsanteile der Gesamthandsgemeinschaft ergibt sich aus dem dieser Satzung als Anlage beigefügten Verzeichnis.

§ 4
Jeder Anteil an der Losinteressentenschaft gewährt eine Stimme. Der einzelne Anteil entspricht dem bisherigen 1/80 Bruchteilsanteil an dem Gesamtvermögen der Losinteressentenschaft.

§ 5
Die Organe der Interessentenschaft sind die Vollversammlung der Interessentenschaft und der Vorstand.

§ 6
Die Versammlung der Interessenten wird durch den Vorstand, so oft dieser es für erforderlich hält, oder auf Antrag von 5 Interessenten schriftlich einberufen, und zwar spätestens 3 Tage vor dem Versammlungstage. Beschlüsse bedürfen einer Mehrheit von 2/3 der Erschienenen. Dabei hate jeder bisherige 1/80 Bruchteilseigentümer eine Stimme.

§ 7
Der Vorstand besteht aus einem aus der Zahl der Interessenten auf die Dauer von 12 Jahren zu wählenden Miteigentümer. Der Vorstand führt auch zugleich die Kassengeschäfte der Interessenten. Er hat am Schlusse eines jeden Kalenderjahres der Vollversammlung Rechnung zu legen.
Der Vorstand hat die Beschlüsse der Interessentenversammlung auszuführen. Er vertritt die Interessentenschaft gerichtlich und aussergerichtlich. Er erhält zu diesem Zweck eine besondere Vollmacht.

§ 8
Das Amt des Vorstandes ist ein Ehrenamt. Ihm sind die Barauslagen, die ihm durch die Geschäftsführung erwachsen, zu vergüten.

§ 9
Geht ein Anteil eines Losintertessenten durch Erbgang auf eine Mehrheit von Erben über oder [tritt] durch Rechtsgeschäfte eine Mehrheit von Erben an die Stelle eines Interessenten, so haben diese der Losinteressentenschaft gegenüber einen Vertreter zu bestellen. Dieserf Vertreter gilt der Losinteressentenschaft gegenüber als Eigentümer des Anteils. Seine Erklärungen sind für die übrigen Miteigentümer dieses Anteils verbindlich. In jeder ordentlichen Hauptversammlung der Losinteressentenschaft ist die Mitgliederliste der Losinteressenten gem. den in dem vorhergehenden Jahr eingetreteten Veränderungen zu berichtigen und der Versammlung vorzulegen.

§ 10
Den einzelnen Interessenten steht nach der Grösse ihrer Anteile ein Ntzungsrecht an dem Grundbesitz der Gemeinschaft zu. Der Gewinn und der Vberlust der Interessentenschaft wird unter die Interessenten nach Maßgabe der Größe ihrer Losanteile verteilt.

§ 11

Über die von den Losinteressenten zur Unterhaltung und Bewirtschaftung des Grundbesitzes der Losinteressntenschaft zu leisten[den] Beiträge ist in der Hauptversammlung der Losinteressenten zu beschliessen.

Der Vorstand besteht aus den Herren Jürgen Kamp, Reimert Hansen und Martin Knudsen

Rechtsanwalt Steffen schrieb am 14. März 1957 an das Finanzamt in Leck über den Grund zur Aufstellung der neuen Statuten folgendes:
„Die Losinteressenten sind im Grundbuch als ideelle Miteigentümer eingetragen. Infolgedessen kann jeder Losinteressent über seinen Grundstücksanteil verfügen. Wenn ein Interessent eine Hypothek einträgt, ist damit die Möglichkeit, irgend eine Parzelle abzuverkaufen, blockiert. Deswegen habe ich das anliegende Statut aufgestellt. … Die Losinteresentenschaften sind [meines Erachtens] Gebilde des alten Rechts, die eine Art Gesamthandsgemeinschaft darstellen. Diese Gebilde des alten Rechts sind gemäß Artikel 164 des Einführungsgesetzes zum bürgerlichen Gesetzbuch aufrechtzuerhalten.“

Ein wichtiger Schritt in der Entwicklung der Insel Sylt ist in der Veränderung des Nutzungszweckes in § 3 der alten bzw. § 2 der neuen Statuten abzulesen. An die Stelle der ursprünglichen unmittelbaren Nutzung des Bodens ist nun der gerade für Kampen existenziell wichtige Zweck des Landverkaufs getreten. Sehr geehrter Herr Schaaf! In unserer Generalversammlung, welche am 16 d. M. stattfand, habe ich, wie wir bereits telefonisch besprachen, vorgeschlagen, dass umstehendes Gelände in der Größe von etwa 25.000 qm für eine Bebauung auszuschließen. Die Mitglieder waren dafür, daß eine oberflächliche Einteilung resp. Aufriß gemacht werden könne, also in dem Sinne, daß wenn ein Käufer käme, daß dieser dann ein Grundstück wählen könne. Er soll nach Ausspruch der Mitgl[ieder] zunächst als unbebautes Gelände gesehen werden und nicht als zu bebauendes Gelände, weil dann die Belastung zu hoch würde. Mit dem besten Gruß RH (Reimert Hansen)

Dieser Brief vom 18. März 1957 – vermutlich eine Kopie für die Akten – befindet sich in den Unterlagen der Losinteressentenschaft. Sein Inhalt ist symptomatisch für die Fragestellungen, denen sie sich im 20. Jahrhundert in zunehmendem Maße gegenübersah. Es geht nicht mehr um Schafe, Heideplaggen und Dünengras, nicht einmal mehr um Überwegungsrechte, es geht um Landverkauf. Kampen wurde zu einem teuren Pflaster. Die Kampener machten sich auf den Weg, sich in diesen neuen Verhältnissen einzurichten. Die in der Tradition verwurzelte Losinteressentenschaft tat sich dabei ein bisschen schwerer als einzelne Grundbesitzer. Gerade die längeren Entscheidungswege aber verhinderten einen totalen Ausverkauf. Am 31. August 1950 waren einmal 13.000 DMark und am 1. Dezember desselben Jahres noch einmal 12.000 DMark aus Landverkäufen ausgezahlt worden, so ist es festgehalten. Das waren für die damalige Zeit erkleckliche Summen, aber im Vergleich zu den Preisen späterer Zeiten fallen sie nicht wirklich ins Gewicht.

Der oben zitierte Herr Schaaf erhielt am 11. Oktober 1957 folgende Zeilen von Reimert Hansen, dem damaligen langjährigen Vorsitzenden der Losinteressentenschaft, der mit ziemlicher Sicherheit auch den zitierten Brief geschrieben hat: „Ich möchte Ihnen mitteilen, daß wen Sie nach Kampen kommen, noch das unten skizzierte Grundstück für Herrn Barth zur Vermessung kommen soll.“

Die Losinteressentenschaft suchte auch auf juristischem Wege nach Möglichkeiten, ihre Existenz den neuen Gegebenheiten anzupassen. Am 7. März 1953 schrieb der Vorsitzende Reimert Hansen an den Journalisten und dänisch gesinnten Grenzlandpolitiker Wilhelm Ludwig Christiansen, der seit 1950 als Sekretär die Geschäfte des „Verständigungsauschusses für den Landesteil Schleswig“ führte. Hansen bedankte sich bei Christiansen dafür, dass er sich seiner „Bitte zwecks Klärung annehmen“ wolle, und schildert die rechtlichen Hintergründe der Entstehung der Losinteressentenschaft im 18. Jahrhundert sowie die Grundlagen des 1953 aktuellen Rechtsstatus. Er führt unter anderem Folgendes aus: „Die Losinteressentenschaft war früher eine Gesamt-Hand-Gemeinschaft, bis eines Tages zwei ältere Frauen auf den Gedanken kamen, diese Losinteressentenschaft bestände nicht zu Recht, (sie fühlten sich benachteiligt), und haben beim Amtsgericht Klage erhoben. Sie haben aber kein Recht bekommen. Der damalige Vorsitzende hat es aber mit der Angst bekommen und hat die Vollhandgemeinschaft in eine Einhandgemeinschaft ändern lassen. Dies führte nun dazu, daß ein Losinteressent sein Los an die Firma Tiedemann in Tondern verpfändete. Durch diese Verpfändung haben wir immer große Schwierigkeiten gehabt. Nachdem ich nun den Vorsitz übernommen hatte, habe ich mit Zustimmung sämtlicher Losinteressenten die Statuten in dem Sinne ändern lassen, daß wir wieder eine Gesamthandgemeinschaft haben.“

Der Verständigungsausschuss, in dessen Auftrag WL Christiansen tätig war, war Teil der Minderheitenregelung im deutsch-dänischen Grenzland. Er war mit Sitz im Deutschen Haus in Flensburg eingerichtet worden am 25. Juli 1950 auf der Grundlage der minderheitenpolitischen Kieler Erklärung vom 26. September 1949. Er bestand aus je drei Mitgliedern von dänischer und von deutscher Seite. Laut seiner Geschäftsordnung war es Aufgabe des Ausschusses „Vorschläge, Beschwerden und andere Eingaben der dänischen Minderheit zu prüfen. Der Ausschuß veranlaßt das zur Klärung des den Eingaben zugrundeliegenden Sachverhalts Erforderliche. Nach Klärung des Sachverhalts kann der Ausschuß den Beteiligten Vorschläge machen, die zur Erledigung der Eingabe führen, insbesondere zur Beilegung von Beschwerdefällen geeignet sind.“
Der Grund für den Brief von Reimert Hansen war sicherlich keine Eingabe der dänischen Minderheit, für die WL Christiansen dienstlich verantwortlich gewesen wäre. Es ging wahrscheinlich um die Verpfändung von Interessentenschafts-Land an eine Tonderaner Firma, und Reimert Hansen wird als umsichtiger Vorsitzender auf die Idee gekommen sein, auf diesem Wege den Kontakt mit den dänischen Stellen zu suchen. Der direkte Weg über die Grenze war 1953, acht Jahre nach dem Krieg, noch nicht so selbstverständlich wie vielleicht heutzutage. Aus dem Brief geht hervor, dass Hansen zunächst in Flensburg angerufen hatte und dass ein persönliches Gespräch vereinbart war. Was in der Folge im Einzelnen geschah, geht aus den Quellen nicht hervor, aber die Angelegenheit wird zur Zufriedenheit der Interessenten geregelt worden sein.

Reimert Hansen merkte an, dass der Status der Interessentenschaft von „Gesamthand-„ zum Einzeleigentum gewechselt war, und wieder zurück. Die Losinteressentenschaft besitzt ihr Land nach wie vor zur gesamten Hand, das heißt, es gibt keine einzeln bezeichenbaren Anteile, sondern lediglich ideelle Anteile. Wirklich interessant wurde das selbstverständlich erst, als die Beträge, über die verhandelt wurde, eine gewisse Höhe überschritten und eben auch für die Steuerbehörden an Interesse zu gewinnen begannen.
Im Jahre 1957 ging beispielsweise eine Aufstellung der Losinteressenten an das zuständige Finanzamt in Leck, das für die Steuerveranlagung einzelner Mitglieder diese Angaben benötigte. Am 14. November 1957 ging bei Reimert Hansen folgendes Schreiben des Rechtsanwalts Dr. P. Steffen aus Flensburg ein, in dem die diese Angelegenheiten auf eine rechtliche Grundlage gestellt werden sollten:

„Ich nehme Bezug auf die ... Besprechung in Kampen. Wir vereinbarten zweierlei: 1. Sie wollten an sämtliche Losinteressenten herantreten und diese auffordern, eine Grundbuchberichtigung durchzuführen. Zu diesem Zweck wird ein neuester Grundbuchauszug erforderlich sein. Ich bitte Sie, einen solchen beim Amtsgericht in Westerland zu beantragen und ihn mir dann zuzusenden. Der Auszug kann unbeglaubigt sein. Sie werden mir dann zweckmäßigerweise angeben, bei welchen einzelnen Interessenten die Eintragung nicht mehr mit der Wirklichkeit übereinstimmt. Ich würde dann das entsprechende Rundschreiben entweder von mir aus hinausgehen lassen oder es Ihnen entwerfen, damit Sie es weiterleiten können. 2. Wir sprachen darüber, dass die jetzige Form der Eintragung im Grundbuch keine Gewähr dafür ist, dass Gläubiger eines einzelnen Losinteressenten diesen Grundstücksanteil nicht belasten. Ich schlage Ihnen daher vor, mit der Sparkasse Westerland zu vereinbaren, dass auf dem Gesamtgrundbesitz eine Grundschuld von mehr als 100.000,-- DM zu Gunsten der Stadtsparkasse Westerland als Treuhänderin der Losinteressentenschaft eingetragen wird, um eine Sperrung des Grundbuches zu erreichen. Für den Fall eines Verkaufs oder der Bestellung eines Erbbaurechts kann auf der betreffenden Parzelle diese Belastung immer gelöscht werden.“

Als es nur um Dünenhalme ging, wäre ein solcher juristischer Aufwand gar nicht denkbar gewesen, jetzt zeichnete sich die neue Zeit in den steigenden Bodenpreisen deutlich ab. Am Rande sei darauf hingewiesen, dass es seinerzeit noch eine eigene Sparkasse auf Sylt gab, deren selbstständige Kompetenz soweit reichte, als Treuhänderin über das Grundvermögen der Losinteressentenschaft fungieren zu können. Auch ein eigenes Amtsgericht hatte Westerland noch.

Die Losinteressentenschaft beschloss bei ihrer Jahresversammlung am 20. April 1955 mehrheitlich, Grundstücke nicht mehr zu verkaufen, sondern nur noch im Wege von Erbbauverträgen abzugeben. Am 6. Mai 1959 wurde dieser Beschluss noch einmal bekräftigt. „Ein Grundstück kann in der Weise belastet werden, dass demjenigen, zu dessen Gunsten die Belastung erfolgt, das veräußerliche und vererbliche Recht zusteht, auf oder unter der Oberfläche des Grundstückes ein Bauwerk zu haben.“ So beginnt – im schönsten Juristen-Deutsch – das „Erbbaurechtsgesetz“. Das heißt also, dass jemand gegen Bezahlung das vertraglich geregelte Recht erwerben kann, auf einem Grundstück, das jemand anderem gehört, ein Gebäude zu errichten bzw. zu nutzen und sogar zu unterkellern. Auf dieser Grundlage ist die Nutzung des Interessentenschafts-Landes in Kampen geregelt, zumindest für dessen einträglichsten Teil. Das Land bleibt in jedem Fall Eigentum der Losinteressentenschaft. Die Festlegung wurde allerdings nicht in die Satzung aufgenommen, so dass es leider zu Übertretungen der Beschlusslage kommen konnte.

So entschied die Mitgliederversammlung im Jahre 1973, 12.000 Quadratmeter Dünengelände an der Landstraße 24 an den Landschaftszweckverband zu veräußern, zum Preis von drei Mark pro Quadratmeter. Es wurde dort ein Parkplatz erbaut, der dem Zweckverband eine jährliche Einnahme von inzwischen mindestens 6.000 Euro beschert.

Im Jahre 1999 wurde das letzte noch freie Baugrundstück von 2.800 Quadratmetern am Bergentenweg für 3,5 Millionen DMark verkauft, das Geld wurde – als Ertrag aus einem Grundstückverkauf steuerfrei – ausbezahlt. Es gelang trotz vorhandener Kaufwilliger leider nicht, den Verkauf innerhalb der Interessentenschaft zu halten. Der Erbbauzins hätte pro Jahr rund 40. bis 50.000 Mark betragen, die kommenden Interessenten-Generationen hätten zufließen sollen, aber das Bargeld war zu verlockend. Ohnehin sind aufgrund einer Vertragsänderung Erbauzins-Vorauszahlungen geflossen, in den Abrechnungen der Restlaufzeiten von jetzt noch rund 50 Jahren fehlen könnten.

Es kann generell als kluge Entscheidung gelten, den eigentlichen Grundbesitz für die Nachkommen der Kampener Familien zu erhalten, und nur den aus den Erbbaurechten erbrachten Zins auszuschütten. Die jeweils auf 99 Jahre geschlossenen Verträge stammen aus den Jahren 1950 bis 1968. Erst 1972 wurde das Gesetz um die Bestimmung ergänzt, dass „aus sozialen Erwägungen“ eine Anpassung des Erbauzinses aufgrund der veränderten Grundstückspreise nicht zulässig ist. Lediglich der Wertverlust darf alle zehn Jahre korrigiert werden. Rechtlich ungeklärt ist, wie das gehalten werden soll, wenn bei Weiterveräußerung an Dritte spekulative Gewinne erzielt werden. Bisher ist eine Anpassung bei einigen Erbbaurechts-Verträgen nur dann gelungen, wenn der Vertrag aufgrund Veränderung der baulichen Nutzung geändert wurde, wenn zum Beispiel gestattet wurde, anstelle eines Einfamilienhauses ein Zweifamilienhauses zu errichten. Damit wird nämlich eine Teilung des Erbbaurechts notwendig und eine Aufteilung der Wohneinheiten auf jeweils eigene Grundbuchblätter.

Durch einen erneuerten Gesellschaftervertrag vom 4. Mai 1981 wurde festgelegt, dass die Anteile an der Losinteressentenschaft nur an einen Mitgesellschafter verkauft ode vererbt werden dürfen, das heißt im Ganzen an einen Abkömmling der ursprünglichen Eigentümerfamilien. Diese Maßnahme konnte zu jenem Zeitpunkt als höchst notwendig gelten, da die Interessentenschaft zwischenzeitlich aus 105 Beteiligten bestand und zu verfallen drohte. Für den Erbfall haben sich die Beteiligten über die Nießbrauchrechte an den Erträgen mit ihren Nachkommen geeinigt.

Allerdings ist zu bemerken, dass von den Nachkommen der ursprünglichen „Eingesessenen“, auf die sich die königlichen Verordnungen des 18. Jahrhunderts bezogen, nur noch 11 Prozent in Kampen leben, bzw. anteilsmäßig vertreten sind. Der Rest ist verstreut von Tinnum und Keitum, Niebüll, Handewitt und Schleswig, Hamburg, Hessen und Heidelberg bis nach Amerika. Immer mehr Einheimische verlassen aufgrund der Bodenpreise Kampen und die Insel Sylt. Kampen hat sich zu einem Feriendorf mit kostspieligen Zweitwohnungen in Form von Haus und Grundstück entwickelt, und zwar mit „kalten Betten“, sie im Jahresmittel durchschnittlich nur 50 Tage genutzt werden. Man muss die Frage stellen, warum Kampen diese Entwicklung genommen hat. Die Gemeindevertretung Kampens, der in den Jahren bis etwa 1960 viele Losinteressenten angehörten, erstellten seit Anfang des 20. Jahrhunderts Bebauungspläne und legten darin fest, dass im Eigentum der Losinteressentenschaft befindlichen Heide und Dünengebiete nicht bebaut werden durften. Die Losinteressenten ließen diese Gebiete freiwillig unter Naturschutz stellen, und zwar ohne jede Entschädigung. Andererseits wurde aber der Losanteil durch das Finanzamt für die Steuerveranlagung bewertet mit Auswirkungen auf die Grund- und die Vermögenssteuer. Mittlerweile konnte eine „Befreiung“ erreicht werden. Umgeben von diesen Naturschutzgebieten hat sich Kampen zur wohl kostspieligsten und für die Makler lukrativsten „Oase“ in Deutschland entwickelt. Dafür hat die Losinteressentenschaft also unbezweifelbar wesentliche Opfer gebracht.

Wichtigste Einnahmequelle für Sylt und ohne Frage auch für Kampen ist der Fremdenverkehr. Auch in dieser Hinsicht hat die Losinteressentenschaft durch die Erhaltung der Landschaft Vorleistungen erbracht. Gemeinde und Kurverwaltung bzw. „Tourismus-Service Kampen“ nutzen das Land der Interessentenschaft, das gewissermaßen ihr wichtigstes Kapital bildet. Über einen Pachtvertrag ist die Nutzung des Campingplatzes, der Strandkorbschuppen, der Wege durch die Dünen zum Strand, der Strandniedergänge und der Uwe-Düne geregelt. Die nach dem Sylter Friesen und Vorkämpfer der parlamentarischen Demokratie Uwe Jens Lornsen benannte Uwe-Düne ist mit 52,5 Metern die höchste Erhebung auf Sylt und gehört zum Gebiet der Losinteressentenschaft. Der Tourismus-Service hat eine Treppe und eine Aussichtsplattform errichten lassen, von der aus man einen wunderbaren Blick über die See und die einmalige Dünenlandschaft hat. Mindestens 150.000 Menschen besuchen die Plattform pro Jahr. Direkte finanzielle Vorteile hat die Losinteressentenschaft dadurch allerdings nicht. Bei der Nutzung der Düne wurde ohnehin wenig Rücksicht auf deren Rechte genommen. Im Ersten Weltkrieg wurde dort ein Bunker für die kaiserliche Küstenmarine errichtet. Im Zweiten Weltkrieg diente die erhöhte Stelle als Geschütz- und Radar-Station.

So haben die Losinteressenten lediglich durch die langfristig festgelegten Pachtgelder aus der touristischen Nutzung und durch die Nutzung der Erbbaugrundstücke. Diese stehen in keinem Verhältnis zu der Entwicklung der Bodenbewertung in Kampen. Für die derzeit 38 Beteiligten lohnt es sich langfristig dennoch auf jeden Fall, dieser Gesellschaft zur Gesamten Hand anzugehören. Es steht im Übrigen jedem Beteiligten frei, seinen Anteil an einen anderen Beteiligten zu veräußern, was ja auch einige Male geschehen ist.