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Chronik

Statuten von 1896

Der Artikel 164 des im Jahre 1900 erlassenen „Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch“ (EGBGB), auf den der damalige Rechtsberater der Losinteressentenschaft Bezug nimmt, lautet „ In Kraft bleiben die landesgesetzlichen Vorschriften über die zur Zeit des Inkrafttretens des Bürgerlichen Gesetzbuches bestehenden Realgemeinden und ähnliche Verbände, deren Mitglieder als solche zu Nutzungen an land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken, an Mühlen, Brauhäusern und ähnlichen Anlagen berechtigt sind. Es macht keinen Unterschied, ob die Realgemeinden oder sonstigen Verbände juristische Personen sind oder nicht und ob die Berechtigung der Mitglieder an Grundbesitz geknüpft ist oder nicht.“
Hätte die Losinteressentenschaft sich nicht 1895/1896 eine formale Grundlage gegeben, wäre ihr Fortbestand somit fraglich gewesen. In der Rechtsprechung zum Artikel 164 EGBGB ist klar davon die Rede, dass zum Beispiel zwischenzeitlich erloschene Gesamthandsgemeinschaften nicht wiederbelebt werden können. Bis 1895 bestand die Kampener Losinteressentschaft lediglich gewohnheitsrechtlich. Anders als in Dänemark aber hätte das reine Gewohnheitsrecht wahrscheinlich nicht ausgereicht, den juristischen Bestand der Interessentenschaft zu sichern. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass die Sylter Juristen und Verantwortlichen das auf sich zukommen sahen, und deshalb zur offiziellen Gründung schritten.Statuten der Kampener Loos-Interessentenschaft zu Kampen§ 1
Das Vermögen der Kampener Loos-Interessentenschaft besteht in Weideländereien und Dünen, die in der Gemarkung Norddörfer belegen, in der Gemeindesteuer-Mutterrolle der Gemeinde Norddörfer unter Artikel Nr. 201 u. 204 eingetragen und in Ansehung der Nutznießung in 40/2 – in Buchstaben: vierzih Halbe – oder in 16 (sechzehn) 2/2 oder volle und 8 (acht) 1⁄2 (halbe) Loos-Antheile zerlegt sind.§ 2
Sollte mit Rücksicht auf die geschichtliche Vergangenheit der Interessentenschaft und im Hinblick darauf, daß in vielen Contracten neben dem Verkauf anderer Ländereien von dem Weiterverkauf resp. Mitübergang von Loosen resp. Loos-Antheilen die Rede ist, die Auffassung, daß die einzelnen Looe bezw. Loos-Antheile die Inhaber bisger nur zu einer Nutzung berechtigten, rechtlich nicht haltbar sein, vielmehr die den einzelnen Interessenten auf Grund ihrer Loose resp. ihrer Loos-Antheile zustehenden Rechte als ideelle Miteigenthumsquoten an den Eingangs erwähnten Weideländereien zu betrachten sein, so erklären die sämmtlichen nachstehend unterzeichneten, in der Anlage B aufgeführten Interessenten, daß sie hiermit solche ihnen zustehenden Eigenthums-Quoten auf die Kampener Loos-Interessentenschaft als Corporation übertragen und auf Grund und nach Maaßgabe der Größe und der Zahl ihrer Loss-Antheile in Zukunft nur noch Nutzungsrechte an den mehrgedachten Ländereien haben und ausüben wollen.§ 3
Der Zweck, den die Interessentenschaft verfolgt, ist gemeinschaftliche Nutzung und Unterhaltung der in § 1 gedachten Ländereien, die sich wegen der außerord[ent]lichen Verschiedenheit des Grund und Bodens und ihres Werths nur mit der größten Schwierigkeit würde auftheilen lassen. Die Zeit, für welche die Interessentenschaft zusammengetreten, ist unbestimmt.§ 4
Die Interessentenschaft besteht zur Zeit aus den in dem diesem Statut als Anlage B beigefügten Verzeichnis aufgeführten Personen.
Statuten von 1896

§ 5
Die Organe der Interessntenschaft sind die Versammlung der Interessenten und der Vorstand.

§ 6
Die Versammlung der Interessenten wird durch den Vorstand, so oft derselbe es für erforderlich hält, oder auf Antrag von fünf Interessenten schriftlich zusammenberuffen, und zwar spätestens drei Tage vor dem Versammlungstage.
Dieselbe beschließt unter dem Vorsitz des in § 7 gedachten Vorstehers nach absoluter Stimmenmehrheit der Erschienenen, bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme des Vorsitzenden.
Jeder Interessent, der Inhaber von 2/2 Loos-Antheile hat zwei Stimmen, die Inhaber von 1⁄2 Loos-Antheil haben eine Stimme, dergestalt, daß jeder Interessent für jeden ihm zustehenden, unter seinem Namen eingetragenen 1⁄2 (halben) Loos-Antheil eine Stimme hat. Eine Majorität von zweidritteln der Stimmen der sämtlichen vorhandenen Interessenten ist erforderlich, um das Statut abzuändern oder die Auflösung der Interessentenschaft und die Vertheilung der Ländereien unter die einzelnen Interessenten zu beschließen.

§ 7
Der Vorstand besteht aus einem aus der Zahl der Interessenten auf die Dauer von 12 (zwölf) Jahren zu wählenden Vorsteher. Derselbe hat die Beschlüße der Interessenten-Versammlung auszuführen und vertritt die Interessentenschaft vor wie außer Gericht. Aus Beschlüßen oder anderen Urkunden, welche die Namens-Unterschrift des Vorstehers und eines zweiten Interessenten tragen, wird die Interessentenschaft verpflichtet und berechtigt.

§ 8
Der Vorstehr fungiert zugleich als Rechnungsführer und hat als solcher der Interessenten-Versammlung am Schluße jeden Kalenderjahres Rechnung zu legen. Die Decharge-Ertheilung erfolgt durch die Versammlung der Interessenten.

§ 9
Das Amt des Vorstehers und Rechnungsführers ist ein Ehrenamt, indeß sind ihm die baren Auslagen, die ihm aus der Geschäftsführung erwachsen, zu vergüten.

§ 10
Die einzelnen Interessenten stehen nach Maaßgabe ihrer Loos-Antheile Nutzungsrechte an dem Grundbesitze zu.

§ 11
Die Loos-Antheile der Interessenten sind als 2/2 (ganze) oder 1⁄2 (halbe) Loos-Antheile vererblich und frei veräußerlich, indeß untheilbar.

§ 12
Jeder Erwerber eines Loos-Antheiles wird durch solchen Erwerb in Verbindung mit der Eintragung in das Interessenten-Verzeichnis Mitglied der Interessentenschaft. Diese Eintragung erfolgt durch den Vorsteher, welcher das Verzeichnis zu führen hat, mit Zustimmung des Veräußerers resp. in Erbfällen seiner Miterben gleichzeitig mit der Löschung des Veräußerers resp. Erblassers.

§ 13
Der Gewinn und der Verlust, den die Interessentenschaft macht, wird unter die Interessenten nach Maßgabe ihrer Loos-Antheile vertheilt.

§ 14
Ueber die von den Loos-Interessenten zur Unterhaltung und Bewirthschaftung des Grundbesitzes der Interessentenschaft zu leistenden Beiträge beschließt die Versammlung der Interessenten jährlich.
So geschehen im October 1895.
Unterschriften von
1. Gastwirth Christian Drath aus Wennigstedt (ein halbes Los)
2. Schmied Friedrich Louis Schuster aus Keitum für John Grave Möller in Neu Süd Wales
3. Peter Kamp aus Kampen (vier halbe, also zwei ganze Lose) (ein halbes Los)
4. Claas B. Möller aus Kampen (vier halbe, also zwei ganze Lose)
5. Arbeiter Laue Borck aus Kampen (ein halbes Los)
6. Boy Meinert Bleicken aus Kampen (zwei halbe, also ein ganzes Los)
7. Arbeiter August Hartwigen aus Kampen (zwei halbe, also ein ganzes Los)
8. Wittwe Mathilde Lassen, geb. Kayser aus Kampen (ein halbes Los)
9. Gastwirth Bleicke Meinert Bleicken aus Kampen (zwei halbes, also ein ganzes Los)
10. Cornelius Coldenburg aus Kampen (ein halbes Los)
11. Arbeiter Seyer Jepsen aus Kampen (ein halbes Los)
12. Wittwe Anna Haberhauffe, geb. Vilagos aus Kampen (sieben halbe Lose)
13. Kojenwärter Martin Knudsen und Frau aus Kampen (zwei halbe, also ein ganzes Los)
14. Zimmermann Ebe Meinert Bleicken aus Kampen (zwei halbe, also ein ganzes Los)
15. Gemeindevorsteher Jens Bleicken aus Kampen (drei halbe Lose)
16. Peter Jens Bleicken aus Kampen (ein halbes Los)
Haben unterschrieben. Dazu kamen noch (ein halbes Los) Müller Boy H. Prott für seine Mutter, die Wittwe Erkel Prott, geb. Boysen zu Keitum, Hütter #?# Peter Nielsen Möller aus Kampen sowie (zwei halbe, also ein ganzes Los), Peter C. Klein aus Kampen (zwei halbe, also ein ganzes Los).

Die in Klammern angegebenen Anteile der Einzelnen – zusammen 80 halbe Lose – sind der Auflistung der Interessenten beim Entwurf der Statuten entnommen.
Mit diesem Statut wurde die Losinteressentenschaft erstmals auf eine formalrechtliche Grundlage gestellt. Die notarielle Bearbeitung erfolgte auf dem Amtsgericht Tinnum. Damit waren die Abläufe zunächst verbindlich geregelt und überdauerten auch den Ersten Weltkrieg, das Ende des Kaiserreichs, die Zeit der Weimarer Republik und die Herrschaft des Nationalsozialismus. Die Ursache dafür war vielleicht der Prozess wegen der Badekonzession.