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Chronik

Kurbad-Konflikte

Ab 28. April 1896 führte die Losinteressentenschaft ein Protokollbuch und bereits seit 1891 ein Kassenbuch. Im selben Jahr baute Familie Haberhauffe das Kurhaus. Die Familie Kamp verkauft der Familie Haberhauffe Grundstücke und sieben halbe Lose. Die Haberhauffes machten im Jahre 1900 Konkurs. Das Kurhaus und die Ländereien mit 116,5 Hektar ersteigerte das Bankhaus Arnold in Dresden. Inzwischen führt die Firma den Namen Nordseebad Kampen GmbH, was leider immer wieder zu Missverständnissen führt. Die Losinteressentenschaft war in alter Zeit eine Gemeinschaft zur „gesamten Hand“, bis – so berichtete der frühere Vorsitzende Reimert Hansen – zwei ältere Interessentinnen sich benachteiligt fühlten und beim Amtsgericht Klage erhoben. Der damalige Vorsitzende – vermutlich Jens Bleicken – „bekam es mit der Angst“, obwohl die Klage abgewiesen wurde. Es wurde die Rechtsform der „Einhandgesellschaft“ gewählt. In der Folge wurden Interessentenschafts-Land verpfändet und es gab Schwierigkeiten. Reimert Hansen ließ dann mit Zustimmung aller Beteiligten die Gesamthand-Gemeinschaft wieder herstellen.

1880-1902
In Kampen wohnen die ersten Badegäste, was dem damaligen Eigentümer des Seebades Westerland Friedrich Albert Haberhauffe dazu bewegte, sich ebenfalls in Kampen zu etablieren, indem er im Jahre 1890 den Paulsenschen Bauernhof (heute Landhaus Südheide, Sjipwai 4) erwirbt, den er wenige Jahre später seinem Bruder Hermann G. Haberhauffe vermacht, der durch unglückliche Geschäfte sein Vermögen während des Krieges 1870/1871 verloren hatte. Mit dem Kauf des Hofes erwarben die Haberhauffes auch sieben halbe Anteile an der Losinteressentenschaft, was nicht ohne Folgen für die Entwicklung Kampens bleiben sollte und als Schicksalsstunde bezeichnet werden kann. Im Jahre 1887 richtete die Kampener Losinteressenschaften ein „gants gehorsamstes Gesuch der sämtlichen Eingesessenen des Dorfes Kampen auf Sylt zur Ertheilung der Erlaubnis zur Anlage und Einrichtung eines Seebades am Kampener Strand“. Damit beginnt ein Streit der Behörden, der erst zehn Jahre später endgültig entschieden wird.
Die Regierung in Schleswig antwortet unter dem 26. Februar 1887: An die Interessentenschaft der Gemarkung des Dorfes Kampen, zu Händen des Herrn A. Hartwigsen in Kampen auf Sylt. Der Interesentenschaft eröffnen wir auf Vorstellung vom 28. Januar ds. J. daß wir uns nicht veranlaßt finden können, die Erlaubnis zur Errichtung eines Seebades am Kampener Strand zu ertheilen, da die auf der Insel bereits bestehenden Seebäder Westerland und Wenningstedt zur Zeit dem Bedürfnis vollkommen genügen und es offenbar im allseitigen Interesse liegt, zunächst diese beiden Bäder in ihrer Existenz zu reichern resp. dieselben so zu heben, daß sie allen berechtigten Anforderungen entsprechen, bevor neue gleichwertige Anstalten auf der Insel errichtet werden.
Auf die erneute Eingabe schreibt die Regierung ein Jahr später: „... daß es bei unserem Bescheide an die Interssentenschaft der Gemarkung des Dorfes Kampen vom 26. Febr. v. Js. aus den dort angegebenen Gründen lediglich bewenden muß...“

Hermann G. Haberhauffe, verheiratet mit der Schauspielerin Anna Margareta Vilagos, versucht erstmals im Jahre 1886 zusammen mit seinem aus Amerika zurückgekehrten Bruder Friedrich Wilhelm eine Badekonzession für den Kampener Strand zu erhalten. Nach einem ablehnenden Bescheid richten die Brüder Haberhauffe im Dezember 1889 ein erneutes Gesuch an den Regierungspräsidenten in Schleswig „mit der Bitte, ihnen die Erlaubnis zur Errichtung einer Badeanstalt bei Kampen, verbunden mit der Erbauung des Kurhauses nebst Einrichtung für warme Seebäder und Aufstellung von Badekarren am Strande selbst ertheilen zu wollen.“

Kurbad-Konflikte
Der Streit geht in den folgenden Jahren durch alle Instanzen mit dem Ergebnis, daß der Bau des Kurhauses genehmigt, die Anlegung eines Seebades aber abgelehnt wird. Eine folgenschwere Entscheidung, deren Konsequenzen Haberhauffe wohl anfangs nicht überblickt hat. Am 3. September 1892 wird seitens der Losinteresentenschaft der Beschluss gefasst, das Heideland am Roten Kliff der Familie Haberhauffe anzubieten. Folgendes Schriftstück liegt hierzu vor:

Kampen, den 4. September 1892.
An Herrn Ludwig Jansen, Wohlgeboren in Westerland.
Beeilie mich den Beschluss der Losinteressentenschaft zu Kampen auf Anlass Ihres Antrages meinerseits am gestrigen Abend einberufenen Versammlung, ergebenst Euer Wohlgeboren mitzutheilen:
der Beschluß lautet dem Herrn Jansen als Vermittler eines Consortiums das fragliche ca. 50 bis 60 Hektar Heideland am Rothen Kliff zu Kampen für die Summe von 40.000 Mark, bis zum 1ten Jan. 1893 an die Hand zu geben, unter folgenden Bedingungen:
1. das Consortium bezw. der Käufer verpflichtet sich bis zum 1ten July 1894 daselbst ein Hotel mit mindestens 50 Zimmern zu bauen, widrigenfalls die Hälfte des Grundstücks, ohne eine Entschädigung wieder Eigentum der Losinteressenten ist.
2. die Mietheinnahmen für den an die Regierung vermiethteten Lagerplatz wie auch für den an Paul H. Peters vermiethteten Platz bei Kliffende, verbleicht so lange dieselben von der Regierung bzw. von Peters benutz werden, den Losinteressenten.
3. die Kaufsumme 40.000 Mark ist vor der Auflassung des betr. Grundstückes von dem Käufer zu entrichten.
4. Die Kosten tragen die Contrahenten halbschiedlich.
gez. J. Bleicken, Rechnungsführer

Am 5. Juni schreibt J. Bleicken an Herrn Jansen, Wohlgeboren, in Westerland
Als Ergänzung meines Briefes vom 4. d. M. theile ich Ihnen hierdurch mit, daß falls einer der Losinteressenten (es kann sich nur Herr Haberhauffe handeln) die Übrigen haben sich alle mit dem Beschluß einverstanden erklärt, die Auftheilung der Heide verlangen, so muß solches allerdings geschehen, nur würde dann die Fläche um Herrn Haberhauffe seinen Antheil kleiner werden, natürlich würde der Preis dementsprechend weniger sein. Bitte mir ungefähr mittheilen zu wollen, daß Sie sich damit einverstanden erklären. Ergebenst J. Bleicken.

Die Eröffnung des Hotels erfolgt am 16. Juni 1894. Bereits im Eröffnungsjahr stellen die Haberhauffes trotz Verbotes Badekarren auf, ebenso Bleicke Meinert Bleicken, Gastwirt vom Roten Kliff. Oberstleutnant v. Schöller, Direktor des Seebades Westerland befürchtet eine schwere Konkurrenz und lässt Anzeige erstatten. Die Gerichtsakten lesen sich wie das Drehbuch einer Kriminalkomödie, ständig erfolgen neue Anzeigen und Strafandrohungen. Der Amtsvorsteher Engels schickt den Gendarmen Leukhardt aus Kampen – wörtlich – auf Patrouille. Ergebnis: Euer Hochgewohlboren zeige ich ergebenst an: Meiner Aufforderung, daß das Baden am Strande von Kampen, am Roten Kliff verboten sei, leisten nachstehende Personen keine Folge: 1. der Kaufmann Schlers aus Hamburg, 2. der Kaufmann Wolf Gust, 3. der Kaufmann Schröder, 4. der Kammermusiker Ernst Wilhelm, die drei letztgenannten aus Dresden, Nr. 1 wohnt im Kurhaus Kampen, 2 bis 4 beim Gastwirt Bleicken in Kampen.

In der Norddörfer Chronik von Rolf Spreckelsen ist der Prozesverlauf ausführlich beschrieben.
In dem parallel geführten Rechtsstreit der Eingesessenen Jens Bleicken, C. Möller, Ebe M. Bleicken und Bleicke M. Bleicken wird hervorgehoben, dass sie bereits seit dem Jahre 1876 Badekarren am Kampener Strand aufgestellt haben. Nach dem Tod von Haberhauufe am 26. April 1895 setzte seine Frau mit der Unterstützung von Freunden den Prozess fort, den sie mit der Entscheidung vom 19. Februar 1898 gewann. Zuvor, am 9. Januar 1897 kauften die Haberhauffes von den Losinteresenten noch große Grundstücke zu einem Gesamtpreis von 30.000 Mark erwerben. Es ging um 68.000 Quadratmeter südlich der Kurhausstraße, nördlich der Uwe-Düne, sowie vermutlich um die Nordwestheide zwischen Kurhausstraße und Kliffende bis zum ehemaligen Bahndamm.
Weitere 20.000 Mark sollten an die Losinteressentenschaft gezahlt werden, wenn Haberhauffe den Prozess gewinnen und die alleinige Konzession erhalten werde. Die Konzession zur Aufstellung von Badekarren wird erteilt, jedoch nicht „alleinig“ für Frau Haberhauffe. Diese weigert sich daraufhin, die weiteren 20.000 Mark an die Losinteressentenschaft zu zahlen. Es kam zum Prozess, den die Losinteressenten am 14. November 1899 verloren. Nach der Saison 1899 muss Frau Anna Haberhauffe Konkurs anmelden. Es kommt zu einer Zwangsversteigerung aller Liegenschaften mit einer Gesamtfläche von 116,5 Hektar. Das Kurhaus, der Paulsensche Hof (heute Landhaus Südheide, Sjipwai 4) und die zum Paulsenschen Hof ursprünglich gehörenden Ländereien und rund 117 Hektar aus dem ursprünglich gemeinschaftlichen Bestand der Losinteressentenschaft im Jahre 1897 an Haberhauffe veräußerten Heideflächen südlich und nördlich der Kurhausstraße ersteigerte der Dresdner Pensionsverein bzw. das Bankhaus Arnold.

Am 6. März 1902 konnte Jürgen Peter Kamp noch vier und Jens Bleicken noch drei halbe Losanteile von der Familie Haberhauffe zurückkaufen. Da von Seiten der Frau Haberhauffe offenbar nicht alle vereinbarten Zahlungen erfolgt sind, bevor sie in Konkurs ging, stellt sich die Frage, ob sämtliche Ländereien tatsächlich rechtskräftig in ihren Besitz übergegangen waren. Aus der Konkursmasse jedenfalls gelangte das Gebiet in den Besitz des Bankhauses Arnold, von dem bzw. dessen Rechtsnachfolgern Pläne für eine intensive Nutzung auch des Dünengebietes ausgingen. Dieser Entwicklung wurde dadurch ein Riegel vorgeschoben, dass die Losinteressentenschaft 1921 dafür sorgte, dass diese Gebiete unter Naturschutz gestellt wurden.